Press release | 08 Apr., 2021

Umstellung von Landwirtschaft und Holzproduktion kann das Risiko, dass bedrohte Arten aussterben, um 40% reduzieren.

Gland, Schweiz, 8 April 2021 (IUCN) – Eine weltweite Umstellung auf nachhaltige Landwirtschaft und Holzproduktion würde die wichtigsten Faktoren für das Aussterben landbasierter Tier- und Pflanzenarten um 40% reduzieren, wie eine heute in Nature Ecology & Evolution veröffentlichte Studie zeigt. Die Resultate wurden mit Hilfe einer neuen Metrik erzeugt, die es Unternehmen, Regierungen als auch individuellen Bürgern ermöglicht, ihren potentiellen Beitrag zum globalen Artenverlust zu bewerten, sowie nationale, regionale, sektorielle und institutionenbasierte Ziele zum Erhalt der Artenvielfalt zu berechnen. Die Studie wurde von einem internationales Forscherteam von 54 Institutionen aus 21 Ländern unter Leitung der Post-2020 Taskforce der IUCN Species Survival Commission mit Sitz an der University Newcastle durchgeführt.

“Über Jahre was das Fehlen von einheitlichen Maßeinheiten zum Artenschutz das Haupthindernis für Unternehmen, Regierungen und andere, um die Auswirkungen der eigenen Bemühungen in diesem Bereich zu messen,” sagt IUCN-Generaldirektor Dr Bruno Oberle. “Die neue STAR Metrik erlaubt eine einheitliche Quantifizierung individueller Maßnahmen, und erlaubt es dadurch, fortan eine gemeinsame Zielsetzung zum Artenerhalt zu formulieren. Wir brauchen einen abgestimmten globalen Ansatz um die globale Artenvielfalt, und damit auch unsere eigene Sicherheit und unser eigenes Wohlergehen, zu schützen.”

Die Autoren wenden die STAR (Species Threat Abatement and Restoration) Metrik in der Studie auf alle Amphibien-, Vögel-, und Säugetierarten an. Diese Gruppen von landbasierten Wirbeltieren sind umfangreich in der Roten Liste der Bedrohten Arten der IUCN erfasst. Die Autoren kommen zum Schluss, dass allein das Beseitigen aller Bedrohungen, die mit der Landwirtschaft einhergehen, das Aussterbe-Risiko all dieser Arten um 24% reduzieren würde. Die Beseitigung aller Bedrohungen durch nicht-nachhaltige Abholzung würde eine weitere Senkung des Gesamtrisikos um 16% erwirken. Eine weitere Reduktion des Risikos für Artenverlust um 10% kann durch die Beseitigung der Bedrohung durch invasive Arten erzielt werden. STAR kann außerdem die Vorzüge von Renaturierungsmaßnahmen erfassen: laut der Studie kann das Risiko weltweiten Artenverlustes durch weitreichende globale Renaturierung von Lebensräumen bedrohter Arten um 56% gesenkt werden.

Maßnahmen die mehreren bedrohten Arten und insbesondere den am stärksten bedrohten Arten zugute kommen, erhalten eine höhere STAR Bewertung. Die Ergebnisse zeigen, dass der Erhalt von Lebensräumen mit Schlüsselfunktionen für die Artenvielfalt, so genannter Key Biodiversity Areas, das Risiko des globalen Artenverlusts um fast die Hälfte (47%) reduzieren könnte – obwohl diese Gebiete nur gerade einen Anteil von 9% an der global Landfläche haben. Während alle Länder zum globalen STAR-Ergebnis beitragen, kann das Erhalten von fünf megadiversen Regionen das globale Risiko des Artenverlusts um rund ein Drittel (31%) reduzieren, wobei Indonesien alleine schon 7% beisteuern könnte.

Wir befinden uns mitten in einer Krise mit Bezug auf Artenvielfalt, und die Mittel sind begrenzt. Aber unsere Studie zeigt, dass sich das Risiko des Artensterbens auf relativ kleine Gebiete mit einer großen Anzahl an bedrohten Arten konzentriert. Die STAR Methodik gibt uns die Möglichkeit, einheitlich die potentiellen Auswirkungen von Artenerhaltungs- und Renaturierungsmaßnahmen zu messen,” sagt Louise Mair von der Newcastle University, die die Studie leitete. “Gleichzeitig zeigt unsere Studie, dass die Bedrohungen von Tierarten allgegenwärtig sind, und das jedes Land ohne Ausnahme seinen Anteil beisteuern muss, um dem globalen Verlust von Arten abzuwenden.”

Um aufzuzeigen, wie Firmen und andere Institutionen diese neue Methode nutzen können, haben die Autoren STAR auf einen kommerziellen, 88.000 Hektar großen Kautschukhersteller im zentralen Sumatra angewandt, wo Landwirtschaft, Abholzung, und Bejagung die größten Risikofaktoren für die lokale Artenvielfalt darstellen. Alleine durch das Beenden dieser Aktivitäten auf dem Gebiet des Kautschukherstellers könnte gemäss den Autoren das Risiko des Artenverlusts auf Sumatra um 0.2% gesenkt werden, was 0.04% des Gesamtrisikos Indonesiens, und 0.003% des globalen Risikos entspricht. Diese Werte werden hauptsächlich durch das Schützen der lokalen Tigerpopulation (Panthera tigris: stark gefährdet) und der lokalen Elefantenpopulation (Hipposideros orbiculus; gefährdet, und nur in dieser Region heimisch) erreicht.

Das Messen von Beiträgen zu Artenvielfaltszielen und das Bewerten von Risiken für die Artenvielfalt– was beides durch STAR ermöglicht wird – kann Unternehmen beispielsweise dabei helfen, mittels ESG-Reporting (Environmental, Social and Governance) ihre Portfolios anhand von Nachhaltigkeitskriterien zu analysieren.

Die STAR Metrik steht rechtzeitig für die großen internationalen Konferenzen rund um das Thema Umwelt und Artenvielfalt 2021 zur Verfügung. Dazu gehören der IUCN Weltnaturschutzkongress im französischen Marseille (September) sowie die 15. Conference of the Parties der UN Konvention für Biologische Vielfalt in Kunming, China (Oktober). Dort soll die internationale Gemeinschaft ein neues, ambitioniertes Artenschutz-Abkommen beschliessen.

“Unter dem neuen Artenschutz-Abkommen wird es wichtig sein, konrekte Massnahmen zum Schutz der Artenvielfalt zu identifizieren” sagt Elizabeth Maruma Mrema, Direktorin der UN Konvention  für Biologische Vielfalt. “STAR bietet die Möglichkeit, zu messen, wie lokale Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt zur Erreichung globaler Ziele beitragen können. Das erlaubt es uns, individuelle Beiträge zur Vision des Lebens in Harmonie mit der Natur zu erfassen und bewerten.”

Redaktionelle Hinweise

Die Studie, veröffentlicht in Nature Ecology and Evolution, kann hier abgerufen werden (auf Englisch).

Kommentare von den Studienleitern und mitwirkenden Institutionen können hier abgerufen werden (auf Englisch).

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